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Die (fiktive) Rede des (fiktiven) Unterrichtsminister Macchiavell
vor den Hofräten und vortragenden Räten seines Ministeriums

–  ungekürzt und einschließlich ein- und ausleitendem Begleittext  -

     Ein Auszug aus:

    Siegfried Bernfeld: Sisyphos oder die Grenzen der Erziehung   (erstmals 1925 erschienen)

     

    Wie es so wurde, weiß der gebildete Leser oder kann es in seinem Bücherfach nachlesen. Es kam jedenfalls so zwischen 1300 und 1500 im Abendland zur kapitalistischen Klassengesellschaft und kommt so seit 1789 immer besser und bunter. Uns interessiert nichts vom ganzen Drum und Dran, sondern das Einfachste und Wesentlichste, daß in solcher Klassengesellschaft die Wirtschaft keineswegs dazu dient, den Hunger der Menschheit, ich meine jedes einzelnen Menschen, zu stillen, sondern dazu, den durch Genuß überreizten Appetit ihrer Minderheit, und zwar einer recht unbeträchtlichen Minderheit, der Angehörigen der herrschenden Klasse, bis zur Übersättigung zu befriedigen. Wobei als idealer Wirtschaftszustand der intendiert wird, in dem die herrschende Klasse nicht nur von jeder körperlichen Arbeit befreit ist, sondern ihre wirtschaftliche Tätigkeit sich im Konsum der Wirtschaftsgüter und in der Produktions-Leitung, also in einer künstlerischen, spielerischen, von äußerem Zwang freien, der eigentlich menschlichen, Arbeitsart erschöpft. Daß diese überaus gebildete und kultivierte Wirtschaftsordnung, die sich mit Recht als gottgewollt bezeichnet - denn daß sie von Menschen nicht gewollt sein darf, duldet keinen Zweifel  - , der Mehrheit der Betroffenen wenig gefällt, das ist ihre wunde Stelle. Warum die besagte Mehrheit die Minderheit nicht einfach vernichtet hat, ist nur sehr schwer einzusehen. Gedacht hat sie daran, sie hat es gelegentlich auch versucht. Ich kann nicht finden, daß sie dabei glücklich verfahren ist. Entschuldigungsgründe bietet sehr reichlich die Tatsache, daß die herrschende Klasse sich natürlich nicht damit begnügt, die Wirtschaft zu beherrschen, sondern daß sie klug und konsequent jegliche Herrschaftsposition besetzt und zur Sicherung ihrer wirtschaftlichen Situation verwendet hat. Sie liegen auch in sehr merkwürdigen ökonomischen Tatsachen, denn dieses wie jedes ökonomische System hat seine autonome Logik, sie heißen diesen Falls die Gesetze des Kapitals. Zu ihnen gehört ein Faktor, der für die Nationalökonomie nicht von solcher Wichtigkeit ist wie für die Erziehungswissenschaft. Die Herrschaftsgewalt der herrschenden Klasse ist in der mannigfaltigsten Weise verschleiert. Die ausgebeutete Mehrheit ist nicht nur in gewissen wichtigen Belangen an die Interessen der herrschenden Klasse gebunden, sie ist nicht nur in ihrer eigenen Machtentwicklung gebrochen, indem weite Kreise von ihr der herrschenden Klasse nähergerückt sind als ihrer eigenen, die Bourgeoisie weiß auch diese verbliebene Macht von den eigentlichen Quellen abzuleiten. Dem Proletariat wird der Feind geheimgehalten, es werden ihm Psdeudofeinde präsentiert, an denen es seine Affekte abreagieren und durch Serien vergeblicher Revolten seine Machtlosigkeit resignierend erleben soll.

     Es ist bekanntlich die Arbeiterbewegung, der Marxismus, dem es zu verdanken ist, wenn dies dem Bürgertum nicht völlig gelang, es ist die Folge, des ferneren, der Tatsache, daß das Klasseninteresse der Bourgeoisie seinerseits den Gesetzen des Kapitalismus unterworfen ist, das der Ausbeutung gewisse Grenzen, der Sozialreform gewisse Ziele setzt, es ist  schließlich das Ergebnis der historischen Situation, daß nämlich das Bürgertum aufstrebend revolutionäre Aufgaben gegenüber der es beherrschenden feudalen Klasse hatte und der Hilfe des Proletariats bedurfte, die - ungern und untreu genug - bezahlt werden mußte. Allen diesen Mächten gegenüber hat die herrschende Klasse als sehr respektables Kampfmittel die Erziehung. Sie verleiht ihr eine Tendenz: Die Macht der herrschenden Klasse zu sichern. Diese Machtsicherung ist durch die Erzielung des Kulturplus in der heranwachsenden Generation nicht gegeben. Inzestscheu, Schuldgefühl mit allen seinen seelischen und geistigen Folgen und Schöpfungen, die ganze Fülle europäischen Könnens und Wissens und die Beherrschung der heutigen Produktionsweise, dies alles begreift noch keineswegs in sich die Bejahung der konkreten Machtbeherrschung und Gewinnverteilung, die bürgerlich-kapitalistische Ordnung heißen. Denn die Herrschaft der Bourgeoisie ist eine Zwangs- und Gewaltherrschaft; eine solche kann durch kein anderes Mittel als durch fortgesetzte Zwangs- und Gewaltherrschaft erhalten und fortgepflanzt werden. Sie kann eben nur weitergepflanzt werden. Das heißt, im Grunde bedarf es keiner Erziehung, da ihr wesentlichstes Zielstück ohnehin nur durch Machtausübung erreicht werden kann. So war es auch lange genug. Wem  war es vor Pestalozzi eingefallen, die »Armen« zu erziehen? Die bedrohte Klassenherrschaft erst ist es, die in die Erziehung, welche ihre Funktion still und selbstverständlich erfüllte, eine Tendenz einführt. Und zwar um die Machtausübung zu erleichtern, die neuen Gegenmachtkonzentrationen, die dem Bürgertum in der organisierten Arbeiterschaft erwachsen, zu paralysieren. Die Erziehung wird ein Gegenstand öffentlichen Interesses.

    Die Tendenz ließe sich von einem unvorsichtigen, aber sehr klugen und klassenbewußten Bürger Machiavell etwa so formulieren: die Kinder müssen die bürgerliche Klasse lieben lernen. Und dieser Unterricht muß so nachdrücklich, so sicheren Erfolgs sein, daß ein ganzes Leben, in Not und Sklaverei verbracht, nicht hinreicht, diese Liebe zu verlöschen. Was in Wahrheit gewaltsam erzwungene Ausbeutung ist, wir wissen es, soll ihnen als freiwillig dargebrachtes Opfer der Liebe erscheinen. Sie sollen Mehrwert leisten, aber sie sollen es gern tun, aus innerem Liebeszwang, so wie der Liebhaber seiner Geliebten, der Gläubige seinem Gott opfert.

    Bei Gott, Bürger Machiavell ist ein kluger Mann. Wir ernennen ihn zur Exzellenz Unterrichtsminister und beauftragen ihn, dies teuflische Kunststück durchzuführen. Er - schlau wie er ist - studiert keineswegs als Vorbereitung experimentelle Didaktik, belegt kein einziges Kolleg von Spranger, hat eine diabolische Art, Sterns Kinderpsychologie und F. W. Förster zu loben, ohne sie zu lesen, aber er hat die Psychoanalyse profund kapiert und hält den Hofräten und vortragenden Räten seines Ministeriums ungefähr die folgende Programmrede (gekürztes Stenogramm):

     

       »  . . Dieses, unser Ziel, zu erreichen, schlage ich Ihnen folgende organisatorische Maßnahmen vor. Sie müssen nämlich verstehen, daß die Organisation des Erziehungswesens das entscheidende Problem ist, das wir konsequent und unerbittlich unserem Einfluß restlos vorbehalten müssen, während wir die Lehrplan- und Unterrichts-, selbst Erziehungsfragen beruhigt den Pädagogen, Ideologen, ja selbst den Sozialdernokraten überlassen können. Doch werde ich auch in dieser Zulassung taktisch vorgehen. Sie wird gefordert werden, wir lassen lange um sie kämpfen und gewähren sie in Form von Konzessionen immer dann, wenn wir eine Ablenkung der Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit für nötig halten. Also die erste organisatorische Forderung ist: Trennung der bürgerlichen Jugend von der proletarischen. Ich hoffe, Sie vergessen keinen Augenblick, daß wir uns in geheimer Amtssitzung befinden, und werden sich hüten, der Presse diese Formulierung mitzuteilen. Es ist dies auch nicht nötig, denn die bürgerliche Jugend sind die Kinder jener Familien, die vor jeder Proletarisierung in dieser Generation völlig gesichert sind. Es sind nicht sehr viele. Aber es sind die, auf die es ankommt. Wir haben sie keineswegs in getrennten Schulen zu erziehen. Dies würde unnötiges Aufsehen erregen. Und das Vermögen und soziale Ansehen ihrer Väter sichert ihnen ohnedies eine ungestörte Schullaufbahn. Sie sind die erblichen Herrscher unserer Gesellschaft und Wirtschaft, betimmt, ihre Macht ungekrönt und unbekannt sogar auszuüben. Es wird ihnen nützlich sein, den Zauber solcher Inkognitoexistenz und die Befähigung hiezu an Schule und Universität frühzeitig zu erfahren und zu üben, scheinbar völlig gleich allen anderen, in Wahrheit schon die Herrscher mit der Schiefertafel - die wir übrigens abschaffen sollten, da wir nicht genug Revolutiönchen machen können, und Sie sollen sehen, wie unser Staat ein Jahrzehnt lang von der wichtigen Frage: Schiefer oder Papier für Schulanfänger widerhallt! Wenn ich sage, wir wollen die bürgerliche Jugend von der übrigen trennen, so meine ich die Kinder jener Familien, deren künftige Klassenzugehörigkeit unsicher ist, die wir mit den Thronfolgern zusammen erziehen, aufwachsen lassen wollen. Sie werden sich, infolge der libidinösen Identifikation, wie Bernfeld sagt, für ihr Leben unseren Kapitalfürsten anschließen und ihnen treue Lehensitter sein. Natürlich bloß mit der Treue, die Lehensrittern seit alters her spezifisch war. Die provisorische Treue. Sie werden sich redlich bemühen, an die Stelle des Fürsten zu gelangen, sein Land - ich meine das bildlich, wie Sie wohl verstehen - zu erobern, den Fürsten zu töten. Aber, und wenn ihr Gehalt kaum zum Leben hinreichen sollte, sie werden zwar die persönlichen Feinde aller Besitzer, aber nimmermehr des Besitztums sein, mit dem sie identifiziert sind. Eine tüchtige Identifikation zeugt Hoffnungen, denen lebenslängliche Enttäuschungen nichts anhaben.

      Ich empfehle also einen Intellektuellenstand zu schaffen, indem Sie die quasi bürgerliche Jugend durch eine Bildungskluft von der proletarischen trennen und sie durch Identifikation für ewig im Wünschen und Denken mit der besitzenden Klasse  verknüpfen. Diese psychologische Basis erst wird sie gegen die Einsicht ihrer ökonomischen Situation sichern und ihre individuellen Chancen für den ökonomischen Aufstieg, die, wenn auch klein, im Prinzip vorhanden sind, im Sinne ihres Ideals erkämpfen lassen. Nur so erreichen wir die paradoxen Existenzen, die ohne Besitz für ihn kämpfen, denn der integre Bestand unserer Klassenherrschaft gibt ihnen die Chance, ihr Ideal zu erreichen, ja es ist mit ihr eigentlich schon erfüllt. Unter zwanzig Jahren werden wir keinen dieser Jünglinge, womöglich keinen unter fünfundzwanzig Jahren, in die wirtschaftliche Realität eintreten lassen. jeder soll ad libitum die Glücksmöglichkeiten des Besitzes kosten, sie sollen sich ihm mit der Lust der jungen Erotik, mit Freiheit und Trubel unlöslich verknüpfen, er soll in diesen gefährlichen Jahren, wo Querköpfe, und in der Pubertät wird man sehr leicht querköpfig, bereit sind, die Gesellschaft auf Gerechtigkeit und Recht zu prüfen, sie nicht kennen lernen in ihrem wirklichen Bestand. Und wenn er sie mal kennen lernt, soll er sie und ihre Vorteile, für sich und den Besitzenden überhaupt, nicht mehr entbehren können; sie sollen sehen, wie er sie gründlich auf Grund seiner erlernten Philosophie bejahen wird. Ich werde verbieten, daß man Studenten auf den Universitäten duldet, deren Väter sich nicht zu einem largen Taschengeld entschließen wollen und können. Solche Kerle sind in höchstem Maße staatsgefährlich . . .

      Diese Jugend bleibt also bis in die zwanziger Jahre in der Schule. Das heißt, meine Herren, ich warne Sie aufs ernsteste, sich hier in die pädagogischen Fragen einzumengen. Hierin haben Sie keinerlei Meinung und Überzeugung zu haben. Vergessen Sie nicht, Sie sind Beamte eines Unterrichtsministeriums. Als solche haben Sie in Unterrichtsfragen strengste Neutralität zu wahren; es kann allerdings opportun sein, gelegentlich einen anderen Anschein zu erwecken.

       Was in diesen bürgerlichen Schulen mit der Jugend geschieht, ist völlig gleichgültig. Denken Sie diesen Gedanken durch! Wichtig ist bloß, wer in sie aufgenommen wird, und ob die Anstalten der quasi bürgerlichen Jugend die Möglichkeit geben, die Annehmlichkeiten eines kultivierten Lebens schätzen zu lernen, verbunden mit der Erkenntnis, daß diese nur durch den Bestand unserer vortrefflichen Ordnung gesichert, für sie selbst gesichert sind. Wir müssen durchaus das Vorbild der englischen Colleges erreichen. Doch empfehle ich Ihnen den Namen Landeserziehungsheim oder zur Verwirrung der revolutionären Jugend den der Schulgemeinde (*). Schütteln Sie nicht die Köpfe! Wir dürfen nicht kleinlich sein. Ich werde versuchen, jeden Unterricht in diesen Schulen abzuschaffen, doch sehe ich, daß wir eine Übergangszeit nötig haben. Für sie gilt: Unter Berücksichtigung des Prinzips der Jugendgemäßheit aller Erziehung ist die Pubertät, die idealistische Lebenszeit kat exochen, mit großen Worten zu füllen. Als solche werde ich vorschreiben: Vaterland - Kultur - Nation - Kultur - Wissenschaft - Kunst - Kultur - Volk - Rasse - Kultur. Die Lehrer werden beauftragt sein, zu glauben, daß dies die Maßstäbe und Merkmale des Fortschritts sind, und werden zu zeigen haben, daß die letzten Jahrhunderte eine Kette von glücklichen Entwicklungen sind, unterbrochen von kulturfeindlichen Revolutionen, die ja Kulturwerte zerstört haben, während die Volksrestaurationen sie vermehrt haben. Da doch unsere Klasse die kultiviertere, wohlhabendere und glücklichere ist, repräsentiert sie das Volk, und dieses soll allgemach zu ihr erhoben werden. Bis dahin wird statt »unsere Klasse« natürlich Volk gesagt. Ich wette, keiner der Lehrer wird hier eine Schwierigkeit finden. Sie werden bei den klassischen Autoren und bei den Dichtern des vorigen Jahrhunderts sehr brauchbaren diesbezüglichen Lesestoff finden.

      Aber nur keine Pedanterie; glauben Sie ja nicht, daß wir irgendein Interesse daran haben, daß diese Jugend etwas lerne. Sie dürfen nicht altmodisch sein; es ist hingegen sehr nützlich, wenn es die sozialistischen Parteien sind. Wir haben die Aufgabe, unserer Jugend eine feste Ideologie zu geben. Die lernt man nicht. Sie bildet sich von selbst an den Annehmlichkeiten eines parasitären Lebens. Wir brauchen nur ein paar Stichworte zu geben, um den von selbst keimenden Gedanken die Autorität eines Kulturgutes zu verleihen. Im übrigen muß die Jugend zu Selbstbewußtsein erzogen werden. Sie muß von ihrem Adel, ihrer Schönheit, ihrer Kulturmission überzeugt sein. Scheuen Sie sich nicht, hier Wyneken (*) zu verwenden. Es ist ganz ungefährlich. Denn alle Gefahrenkeime heben Sie auf, wenn Sie dieses Selbstbewußtsein der Jugend auf ihre Klasse übergehen lassen. Wir sagen natürlich Volk, Deutschtum und nicht Bürgertum. Gewiß, das deutsche Volk neigt sehr dazu, diesen Begriff Volk nicht zu akzeptieren. Es ist dies eine ungeheuer gefährliche Tatsache. Sie kann aber paralysiert werden durch eine verhältnismäßig leichte Reform. Sie verlangt nur den Mut zu einer völligen Dummheit. Man müßte die unbewußte Angst des Deutschen, die einem tiefen Minderwertigkeitsgefühl entspringt, in Aggression wenden. Man müßte die Deutschen glauben machen, sie hätten einen ungeheuer mächtigen, gemeinsamen Feind, der unsere, ich meine des Volkes, heiligsten Kulturgüter gefährdet, den man durch gemeinsame, ungeheure Tat zu vernichten hätte. Nur freilich darf das kein wirklich gefährlicher Feind sein, etwa Franzosen, sonst entsteht ja Realangst, und wenn wir ihn etwa besiegen, so stehen wir, wo wir vorher standen. Es müßte eine Fliege, ein Nichts sein. Das hätte auch den Vorteil, daß wir romantische Elemente, die dem Deutschen und seiner Jugend liegen, mit verwenden könnten. Was meinen Sie zu einem Geheimbund von Fremdländischen, der die Deutschheit verfolgt? Man kann große Menschenmengen zu tiefen Identifikationen untereinander und mit irgendeinem Menschen bringen, wenn sie vor einer gemeinsamen unheimlichen Gefahr stehen und Irgendeiner springt vor und rettet sie. Verstehen Sie allmählich, was ich vorhabe? Wir versetzen die Jugend - und mit ihr die Gesamtheit - und zwar vorerst die quasi bürgerliche Jugend in panischen Schrecken vor einer unheimlichen Macht, die sie bedroht, und dann springen Wir  als ihre Retter vor und Führer. Lesen Sie von Professor Freud: Massenpsychologie - ein sehr brauchbarer Autor, sage ich Ihnen, wenn das nur die Sozialisten nicht auch merken, aber zum Glück scheinen sie ihn für einen Bourgeois zu halten - also bei Freud holen Sie sich die Überzeugung, daß mein Vorschlag gelingen muß. Der bürgerliche Typus, die bürgerlichsten Individuen würden zu den Idealen der Jugend werden, und sie würde in diesem Ideal sich zu einer selbstbewußten, stolzen, exklusiven Gemeinschaft bilden, die zugleich restlos führbar wäre. Wenn wir nur den Feind hätten. Es ist schwer, ihn zu finden, denn er darf nicht da sein, und muß doch glaubhaft sein. Ich empfehle, die Juden zu diesem Feinde zu ernennen. Sie sind wirklich ungefährlich. In Deutschland stehen dieser 6oo coo (mit Weib, Kind, Tuberkulose und Krebs) gegen 6o ooo ooo. Das ist ein gutes Verhältnis. Und sie sind wirklich ein in jeder Hinsicht brauchbares Volk; sie werden uns selbst helfen, in dieser oder in jener Weise. Sollten sie aber ja einmal geprügelt oder totgeschlagen werden, so sind deren in anderen Städten und Ländern genug übrig, um den Schrecken vor ihnen permanent zu erhalten. Mit Hilfe des sorgfältig gepflegten un4 angewandten Antisemitismus erhalten wir jene stolze und selbstbewußte, nämlich von sich, ihrer Wertigkeit, ihrem Volks- und Rassenadel durchdrungene bürgerliche Jugend, die identifikatorische Bestrebungen bis in weite Schichten des Proletariats erwecken wird. Und auf diese Haltung und Einstellung des Proletariats kommt es uns an.

      Damit kommen wir an jene Organisationen der Erziehung, die sich an die proletarische Kindheit und Jugend wenden. Wir sind in völliger Übereinstimmung mit den Interessen der Industrie, wenn wir den Grundsatz strenge durchführen werden: die proletarische Jugend gehört in die reale Wirtschaft, in die Fabrik. Es dient auch dem wohlverstandenen Interesse des Kapitals, wenn auch nicht immer dem Wunsche jedes einzelnen Unternehmers, die Kinder bis zu einem gewissen Grad der Arbeit zu entziehen und sie in den Schulen zu sammeln. Als den für unsere Zwecke günstigsten Termin für den Schulbeginn habe ich das sechste Lebensjahr erkannt. Das Kind hat eben eine überaus wichtige Katastrophe, psychologisch, ja psychoanalytisch gesehen, hinter sich, oder befindet sich in ihr. Es hat vor der väterlichen Besitzmacht, unter starker Angstentwicklung, kapituliert und auf den Besitz der geliebten Mutter verzichtet. Es sucht nun für seine ungebundene Liebe neue Objekte. Sie sollen ihm in Gestalt seiner Lehrer, noch besser wären prinzipiell unverheiratete Lehrerinnen, unsererAgenten, entgegentreten. Es hat sich aber zugleich eine sehr tiefe Einsicht in seine eigene Unzulänglichkeit geholt, damit die Bereitsdiaft, sich Autoritäten zu unterwerfen, die noch unterstützt wird durch die in diesen frühkindlichen Kämpfen und Ablösungen entstandene Instanz im eigenen Ich, das Schuldgefühl, die Strafbereitschaft. Erwacht nun irgendeine Regung der Auflehnung, so wird sie sich in der Autorität der Schule die empfindlichste Niederlage holen. Dabei sorgen wir dafür, daß die Schule eine Staats- und Volkseinrichtung wird, und erreichen so, daß das Kind den Staat und das Volk als eine erweiterte Familie auffassen lernt; was zwar grundsätzlich falsch ist und selbst für unseren Staat nur sehr teilweise gilt, aber die günstigste psychologische Atmosphäre für seinen Bestand, das sicherste Schutzmittel - soweit eben psychische Angelegenheiten hier mitwirken - gegen jede entschiedene Gesellschaftsrevolution ist. Wie die Familie, sage ich: da ist der Vater, der befiehlt und straft, der aber auch freundlich ist, wenn eins sehr brav war, aber auf alle Fälle fern und übermächtig. Er trägt den schönen Titel: Direktor. Da ist die Mutter: die Lehrerin, die freundlich, nah, liebevoll, aber launisch ist, die man gleichfalls, aber deutlicher noch durch Bravheit gewinnt; die ihrerseits vor dem Direktor zu zittern hat. Da sind schließlich die Geschwister Schulkameraden, nach Sitte und Recht alle einander völlig gleichgestellt, aber freie Bahn ist dem Tüchtigen offen; der volle Betrieb der freien Konkurrenz ist durchgeführt; man kann nach oben gelangen auf den ersten Platz in der Klasse und in der Liebe der Lehrerin, wenn man tüchtig ist, tüchtig im Wissen oder im Schwindeln, im Schmeicheln oder in der Energie. Die inhaltliche Erfüllung dieses Betriebes geht dahin: Schul- und Bücherwissen über alles hoch und jenseits je des Zweifels zu stellen. Und in diesem Rahmen werden die Geschichten, die die Lehrer den Kindern von der bürgerlichen Gesellschaft erzählen, ihren Zweck nicht verfehlen . . .

       Die Krönung dieses Schulwesens ist aber in der Organisation der Pubertätserziehung gegeben, die ich besonders sorgfältig durchdacht habe. In dieser Zeit entsteht eine neue Welle von Autoritätsablehnung und die Neigung, das eigene Leben und das der Gesamtheit einer Art sittlicher Revision zu unterziehen. Wir müssen bemüht sein, die Früchte der Kindererziehung diesen Gefahren zu entziehen. Daher werden die jungen Proletarier ihrer ökonomischen Situation völlig überlassen. Ihre Eltern werden sie zu wirtschaftlicher Selbständigkeit treiben, und sie werden in Fabrik und Lehre, wenn wir nicht eingreifen, ein ihren erwachsenen Klassengenossen völlig gleichartiges Leben führen, ja da zu erwarten ist, daß ihre Gewerkschaften schwächer sein und die Organisationen der Erwachsenen für sie  weniger stark eintreten werden, müssen sie unter einem härteren Druck der Ausbeutung stehen. Sie werden, da ja die Schule sie dahin vorbereitet hat, auch die Fabrik und das ganze Wirtschaftsleben unter der affektiven Einstellung der Familie - unbewußt, versteht sich - auffassen. Das heißt, sie werden ihre Aggressionen und Liebeswerbungen auf den persönlichen Vorgesetzten oder den Einzelunternehmer richten. Die sozialistischen Parteien werden es sehr schwer haben, ihnen dahinter die bürgerliche Klasse zu erweisen. Wenigstens wird die Aufklärung nicht in tiefere seelische Schichten dringen. Die Pubertät, eine Zeit intensiver sexueller Anwandlungen, wird zu Sexualisierungen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit drängen, da in dieser Fabriks- und Familienenge zu höheren Sublimierungen kein Platz ist. Der wirtschaftliche Bezirk wird sich ihrem unbewußten Denken mit dem sexuellen vermengen, der ausschließend Besitzende, der Unternehmer, oder auch sein Direktor oder Werkführer, wird ihnen Vater sein. Und hiermit wird die überwiegerde Menge in ihrer Aggression und Auflehnung, so lärmend sie auftreten mag, innerlichst gebrochen sein,  denn sie ist paralysiert durch die Erinnerung an die infantile Katastrophe, die derselben Situation entsprang, und wird gebunden sein durch die ebenso unbewußte Liebe zum und Identifikationstendenz mit dem Vaterunternehmer. Die wirtschaftliche Selbständigkeit der Jugendlichen wird diese Identifikation stärken. Und sollten etwelche trotzdem einen Ausweg aus ihrer Situation suchen, sollten sie erkennen, was sie in ökonomischer Sklaverei hält, so werden sie wahrscheinlich, durch die Schule und durch die öffentliche Meinung, durch die klug vorbereitete Verwirrung der Begriffe Kultur und Bildung, die auch die Arbeiterparteien nur schwer durchschauen werden, das Leben der von ihnen getrennten bürgerlichen Jugend anstreben und Bildung suchen, und zwar natürlich jene, die, wie sie meinen, den Wert und die Macht der bürgerlichen Jugend und Gesellschaft ausmachen. Sie werden sie nicht finden . . . «

     

    Unterrichtsminister Machiavell hat in dieser Weise noch lange und sehr ins Detail gehend gesprochen, als ihn die Verwunderung und Befremdung, ja die Wut der Hofräte belehrte, daß er wörtlich das Bestehende vorgeschlagen habe, nur in einer völlig staatsfeindlichen, zynischen, unwahren, unidealen Weise. Man zweifelt nicht, daß dieser sein erster Regierungsakt auch sein letzter war. Wir haben ihn aber so lange beim Wort gelassen, weil, so meine ich, gerade seine Rede für all das sehr lehrreich ist, was ich die Tendenz in der Erziehung nenne, obgleich er meistens nur von der Erziehung im engeren Sinne sprach. Und obgleich er den psychologischen Standpunkt entschieden zu sehr in den Vordergrund rückte.

     Die Tendenz schafft selten eine Erziehungseinrichtung, und kaum häufiger eine Erziehungsmaßnahme, aber sie färbt sie alle in einer bestimmten Weise; gibt ihnen die Ideologie und Rechtfertigung; und unterdrückt Erziehungseinrichtungen, -maßnahmen, Ideologien, die ihr zuwider sind. Sie ist in der Klassengesellschaft, in jeder auf Macht aufgebauten Gesellschaft, gänzlich unvermeidlich. Ich möchte eine eingehendere Erörterung ihrer Beziehung zur organischen Rekapitulation, zur libidinösen Identifikation, zur Kulturpluserzielung, zur Funktion und den Konstanten der Erziehung, für das letzte Kapitel aufsparen; hier schon aber will erwogen sein, daß das Kulturplus als solches Bestandteile, Kenntnisse sowohl als Kräfte enthält, die gegen den Bestand der bestehenden Ordnung, gegen die bestehenden Machtverhältnisse, gegen die bestehende Wirtschaftsweise, gerichtet sind. Die Funktion der Erziehung wäre es, sie ebenso wie deren Feinde der heranwachsenden Generation zu vermitteln. Die Tendenz schränkt diese konservative Funktion ein, indem sie Werte setzt, die gegen die herrschende Macht gerichteten Elemente des Kulturplus entwertet, auf den Aussterbe-Etat setzt, um mit der von solchen Tendenzen beeinflußten heranwachsenden Generation eine Sicherung ihrer Position zu erlangen. Die Tendenz ist notwendigerweise an das Bestehen einer Instanz gebunden, die sie durchsetzt, und diese Instanz kann in niemandes anderen regulierenden Händen liegen als in der Gruppe, die letzten Endes die gesellschaftliche Macht besitzt, und das ist heute das Weltindustrie- und Finanzkapital.

     Aber nicht einmal mit der Aufdeckung der Tendenz sind wir ans Ende der Komplikationen gelangt. Leider, ruft der Schriftsteller, der sich bemühen muß, auf wenigen Seiten, womöglich ohne langweilig zu werden, diesen komplizierten Aufbau mit Worten verständlich zu machen; Gott sei dank, antwortet der menschenfreundliche Leser, den diese theoretischen Bemühungen wenig interessieren, der vielmehr all dies nur soweit zur Kenntnis nimmt, als er hofft, vom Autor endlich zu erfahren, was nun zu tun sei, was zu zun möglich wäre; also leider oder Gott sei Dank, gewiß aber: die Erziehung in unserem Zeitalter ist nicht von einer Tendenz , sondern von deren zweien geleitet und gefärbt. Entsprechend den zwei Machtgruppen, deren unentschiedener, aber hartnäckiger Kampf das Leben auf diesem unglücklichen Planeten so unsicher, so unliebenswürdig, so fragwürdig und dunkel erscheinen läßt, daß es überhaupt erträglich erst dann wird, vielleicht, wenn man ihm als Sinn eben diesen gigantischen und dummen Kampf setzt. Wir leben bei weitem nicht mehr in einer stabilen Herrschaftszeit der bürgerlichen Klasse. Wahrscheinlich hat es derartig idyllischen Zustand nie, auch nicht für einen Augenblick gegeben. Immerhin, man kann es Romantikern und Sentimentalen gönnen, ihn anno 15oo oder 18oo anzunehmen. Er ist vorbei, unwiderruflich. Der Sozialismus ist ein Machtzentrum, dessen Tendenzen auch die Erziehung beeinflussen. Ich spreche vom Sozialismus und meine die Arbeiterbewegung, die im wesentlichen den heutigen Sozialismus ausmacht, aber indem ich dies feststelle, darf ich ruhig weiter von ihr als vom Sozialismus sprechen. Der Sozialismus hat die Macht der Kapitalklasse nicht gebrochen, er wirkt nicht an ihrer Stelle, aber er hat ihre Machtäußerungen eingeschränkt, er zwingt zu Umwegen, zu Schleichwegen, zu Kompromissen, zugleich freilich zu energischeren Sicherungen, zu entschiedeneren tendenziösen Einschreitungen und Unterdrückungen. Das eine oder das andere oder beides tritt ein, je nachdem die relative Macht des Sozialismus gestiegen oder gesunken ist, oder anzusteigen droht. Wir können hier nicht den wunderlichen Linien folgen, die die Trabanten eines Kräftesystems als ihren Lebensweg zu nehmen gezwungen sind, das nicht nur zwei Zentren hat, sondern verschieden starke, instabil in ihrer relativen Stärke, mobil in ihrer relativen Lage. Aber wir wollen uns den Eindruck sichern, daß die Ideologie, die Tendenz in der Erziehung zu einer überragenden Bedeutung gelangen muß, bei so verwirrten Konstellationen.

     Der Sozialismus hätte bereits gesiegt, spätestens 1918, wenn er die beherrschte Klasse in ihrem ganzen Umfang erfaßte. Es ist Sache der Ökonomen, die Widerstände, die seiner Ausbreitung im legitimen Gebiet entgegenstehen, auf ihre wirtschaftlichen Ursachen zu prüfen. Wir haben es mit ihren psychischen Parallelen zu tun. Und drücken den auch ökonomisch ausdrückbaren Tatbestand aus, indem wir sagen: Es mangelt ihnen an Einsicht in ihre Ausbeutungssituation oder in die Möglichkeit einer anders strukturierten Gesellschaft; oder es mangelt ihnen an Mut; er ist ihnen durch die Wertungen der bürgerlichen Gesellschaft gebrochen, die sich auf die Unschätzbarkeit ihrer Kultur, die nun freilich durch den Sozialismus in Frage gestellt ist, auf die Unverletzlichkeit von Besitz, Person, Recht, die freilich durch die Revolution bedroht sind, beziehen; oder der Vollzug der Tat der Revolution, die Ermordung des Urvaters Wallstreet und die Besitzergreifung der Urmutter Boden und Kapital ist durch Schuldgefühl und Angst, die vor und hinter ihr stehen, gesichert. Soll die herrschende Gruppe ihre Macht festhalten, so muß sie die Ausbreitung der Einsicht und die Minderung der Angst verhindern. Viele Umstände helfen ihr bei diesem Mühen. Die Ideologie ist das konzentrierteste Mittel. Sie darf ihren Unterrichtsminister nicht sprechen lassen, wie es Bürger Machiavell täte, so lange nicht und dann nicht, wenn sie Hoffnung hat, durch die Einkleidung ihrer Maßnahmen zu täuschen über deren Absichten, zu verwirren über den realen Zustand. Mit jeder Handlung, die die Gegenmacht schwächen soll, verknüpft sie eine Geste, eine Rechtfertigung, die ihr Proselyten der Einsichts- und Mutlosigkeit im Lager der beherrschten Klasse machen soll. In kritischen Zeiten ermöglichen diese Proselyten überhaupt erst die Handlung; in ruhigen Zeiten verstärken sie deren Wirkung, den Kraftabbruch des Gegenmachtzentrums.

     Der Sozialismus bedarf aus demselben Grund eben dieser Tendenz-Ideologie. Aber seine Ideologie bedarf keiner Verlogenheit, sie ist die einsichtige und mutige Formulierung seiner Ziele, Tendenzen und Mittel. Er will nichts anderes als die Zerstörung der herrschenden Macht, um sie selbst auszuüben. Er kann keine Proselyten unter irgendeiner anderen Fahne machen; für den Gefangenen ist die Befreiung, für den Unterdrückten die Abschüttelung des Bedrückers das selbstverständliche und keiner weiteren Rechtfertigung bedürftige Ziel. Die Gefangenen müssen nur zur Einsicht gelangen, daß ihre Kerkermauern nicht die natürliche, unvermeidliche Art sind, in der auf Erden Räume gebildet sind, sie müssen den Mut gewinnen, den gewohnten Aufenthaltsort zu verlassen. Der Sozialismus wird der Erziehung die Tendenz geben, diese Einsicht und diesen Mut der Jugend zu vermitteln, damit  sie klassenbewußt und revolutionär zum gegebenen Zeitpunkt die Tat der Befreiung vollbringe. Er kämpft für Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit in der unsterblichen Formulierung der großen Revolution für Recht schlechthin, denn die Freiheit der Unterdrückten ist für die Unterdrückten die Freiheit, ihr Recht ist ihnen das  Recht. Und mehr mit Recht, als die Freiheit der Herrschenden sich die Freiheit, ihr Recht sich das Recht heißen darf.

    Soviel von der Tendenz genügt wohl, um uns die abschließenden Formulierungen dieses Kapitels vorzubereiten. ich will noch einiges über sie im nächsten und letzten sagen, und behalte mir vor, in künftigen Büchern das Thema dort fortzuführen, wo es hier unklar und unscharf geblieben ist, bleiben mußte, da kein Raum in dieser kurzen Schrift ist, das Allgemeine und Angedeutete durch Konkretes zu belegen. Dieses aber wäre nötig, denn die Tendenz ist ja die Variable gegenüber den mächtigen Konstanten der Erziehung, die ich bisher im Vordergrunde der Betrachtung festhielt.

     Die soziale Funktion der Erziehung ist die Konservierung der biopsychischen und der sozialökonomischen, mit ihr der kulturell-geistigen Struktur der Gesellschaft. Nichts als diese Konservierung, diese Fortpflanzung. Was darüber hinausweist, ist die Tendenz zur Verewigung der Machtverteilung von heute, und damit der psychisch-sozialen Gegebenheiten von heute. Sie ist demnach nicht allein Konservierung im Sinne der Reproduktion des Erreichten, sondern Konservierung im Sinne der Verhinderung eines Neuen. Hier gilt nur eine Einschränkung. Die Tendenz ist der Erziehung beigemengt, die Machtverteilung nicht allein im Status des Heute zu erhalten, sondern sie zugunsten der erziehenden Macht zu verschieben. Sie ist also auch ideell konservativ, vom Gesichtspunkt der herrschenden - und also auch erziehenden - Gruppe gesehen. Sie erfüllt diese ihre Funktion. Daran ist kein Zweifel. Ob die Weltverbesserer und Ethiker, die Pädagogen und Religiösen noch so sehr sich grämen, oder ob sie ein ephemeres Symptom als dauernde Umkehr bejubeln - die Kinder, die so um 1924  reif geworden, sie wie jene, die es im Jahre 1920 wurden, und die Jahrgänge von 1500 und 1280, sie alle, ob sie erzogen wurden oder nicht, ob gut oder schlecht, von diesem mit der seinen oder von jenem mit eines anderen Methode, sie alle - scheint mir fast - sind Menschen, wie sie eben nun in dieser Zeit und an diesem Ort üblich sind. Die individuellen Unterschiede verschwinden nicht minder als die außertypischen des Alters, es ist die große bürgerliche Schafherde, die schlecht und recht die Masse Wolle gibt, die Kosten von Aufzucht, Pflege und Vermehrung mit Profit rückerstattend und eins genau so wie das andere aussehend, wie Schafe eben; zwar versichert der Schäferjunge, jedes habe sein eigenes Gesicht. Ich glaube es kaum; vielleicht täuscht ihn seine Liebe. Was kann da schon für ein großer Unterschied sein zwischen einem Schafsgesicht und einem anderen Schafsgesicht. Auf die Wolle kommt es an, ihr Freunde, und die ist, nehmt Ihr alles nur in allem, ganz gut gewachsen in diesem Segensjahr.

    * * *

    (*) Der Begriff Schulgemeinde und der Name Wyneken standen zu Anfang des 20. Jh. für Projekte und Persönlichkeiten der Reformpädagogik, die von Reaktionären wegen ihrer angeblich revolutionären Verfahrensweisen und Ansichten scharf angefeindet wurden.

    (siehe dazu auch das Stichwort „Wyneken“ in Wikipedia)

     

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